Der Arganbaum aus Marokko (und die Ziegen)
Der Arganbaum ist ein in vieler Hinsicht einzigartiges Gewächs. Bis zu 12 Meter hoch werden die malerischen knorrigen Bäume. Argania spinosa, auch beispielsweise als Elaeodendron argan oder Eisenholzbaum bekannt, gehören zur Gattung Argania, diese wiederum zur Familie der Sapotaceae aus der Ordnung der Heidekraut-Gewächse.
Heute gedeiht der Arganbaum ausschließlich in Südmarokko und hier bis in Höhenlagen von 1.300 Metern. Aufgrund seines sehr begrenzten Verbreitungsgebietes gehört jeder einzelne Baum einer ortsansässigen Familie, die über ihn wacht und ein Nutzungsanrecht auf Früchte und Holz besitzt. Eigentümer aller Arganbäume in Marokko ist der Staat.
Die Herkunft des Arganbaumes
Der Ursprung des Arganbaumes lässt sich auf mindestens 80 Millionen Jahre zurückdatieren. Er ist als Gattung älter als die großen Gebirge der Erde, Himalaya, Alpen, Anden, Rocky Mountains. Zudem ist er älter als viele Säugetierarten, die heute die Erde bevölkern, und war vermutlich ein Zeitgenosse der letzten großen Saurier. Seine Ursprünge liegen in einer Epoche, in der das Klima bis zu den Polen überwiegend tropisch warm war. Im Tertiär, dem Zeitabschnitt von 65 bis 2,6 Millionen Jahre vor unserer Zeitrechnung, fand ein massiver Klimawandel statt. Noch in dieser Zeit war der Arganbaum vermutlich ein Bestandteil aller Wälder rund um das heutige Mittelmeer und im Raum Nordafrika. Im Laufe des Tertiär entwickelten sich Pflanzen- und Tierwelt zu den heute bekannten Formen. Der Arganbaum kann als lebendes Fossil aus einer früheren Etappe der Erdgeschichte bezeichnet werden.
Noch um 1930 gediehen die Arganbäume in Algerien, Mauretanien und Südmarokko an mehreren Standorten. Heute beschränkt sich das Verbreitungsgebiet auf etwas über 820.000 Hektar – das entspricht ungefähr 8000 Quadratkilometern – heute ein Biosphären-Reservat der UNESCO in Südwest-Marokko, die "Arganeraie" nahe der Stadt Agadir, und zwischen Marakesch und den Orten Essaouira und Ounagha, wo sich mehrere Kooperativen angesiedelt haben, die Arganöl produzieren.
Warum wächst der Arganbaum ausgerechnet hier?
Für sein heutiges Verbreitungsgebiet ist der Arganbaum ein Segen: Sein Wasser- und Nährstoffbedarf ist minimal. Er klammert sich zäh an sandigen und steinigen, stark mineralischen Boden, erträgt Hitze und lange Trockenperioden und lässt in seinem Schatten andere Pflanzen gedeihen – ein kleines Bollwerk gegen den stetigen Vormarsch der Wüste. Die Bäume werden zehn bis zwölf Meter hoch. Mit einem Baumkronenumfang von 20 bis zu 70 Metern sind sie ausladend, buschig und die Zweige reichen tief auf den Boden herab. Die intensive Sonne und die hohen Temperaturen scheinen ihnen nichts anzuhaben, die Wurzeln reichen bis zu 30 Meter tief. Ist es zu trocken, schaltet der Baum in den reinen „Überlebensmodus“. Regnet es ausreichend, bringt er alle zwei Jahre fortlaufend Blüten und Früchte hervor: Aus 30 Kilogramm der Früchte lässt sich ein Liter Arganöl gewinnen. Diese spärliche Ausbeute erklärt die Exklusivität dieses Produktes. Im Herkunftsland dient Arganöl sowohl als Nahrungsmittel als auch als medizinisches Hausmittel und zu kosmetischen Zwecken.
Die im Verbreitungsgebiet des Arganbaumes ansässigen Amazigh, Berber, etwa zwei Millionen Menschen, sind wirtschaftlich sehr stark abhängig vom Ertrag: Es heißt, dass etwa zehn Arganbäume einen Menschen ernähren können. Die Einheimischen verwenden das Fallholz und verwerten die Früchte zur Gewinnung des Arganöls. Ungeachtet der Stacheln dienen die Blätter und Früchte den Ziegen und Dromedaren zur Nahrung.
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Größe, Lebensdauer und Fruchtertrag
Die Bäume werden zwischen 150 und 400 Jahre alt und sind etwa zwischen 50 und 60 Jahren am produktivsten und trägt dabei bis zu 40 Kilogramm Früchte. Gute Jahre mit ausreichend Niederschlägen nutzt der Baum wirksam aus: Ab dem Alter von fünf Jahren trägt er Blüten, die über das ganze Jahr hinweg zeitversetzt nachtreiben oder zur Argannuß ausreifen. Die Erntezeit liegt zwischen Mai und September.
Zwar gelingt es, mit etwas Geduld ein Pflänzchen aus einem Kern der Argannuss zu ziehen, doch außer an ihrem heimischen Standort ist es bislang nie gelungen, die Bäume zu ihrer vollen Reife, Größe und Fruchtbarkeit zu bringen. In Israel und Saudi-Arabien gestartete Versuche von Argan-Kulturen scheiterten.
Eine Theorie besagt, dass die Kerne den Verdauungstrakt von Ziege oder Dromedar durchlaufen müssten, bevor sich auskeimen können. Doch dieser Weg lässt sich durch mehrtägiges Einweichen in gleichmäßig lauwarmem Wasser ersetzen.
Im Handel sind keimfähige Argan-Samen und mehrjährige Setzlinge erhältlich – allerdings gedeihen sie in mitteleuropäischem Klima nur als Ziergewächse und es besteht keine Chance, dass sie sich zur Reife entwickeln.
Heute sind die Bestände des Arganbaums in einem Biosphären-Reservat geschützt, ihre Nutzung wird sorgfältig überwacht. Lange vor den 90ger Jahren wurden ganze Wälder zugunsten anderer Agrarprodukte abgeholzt. Während die Bäume perfekt an das extrem heiße, trockene Klima angepasst sind, bringen andere Kulturen keinen vernünftigen Ertrag. Der Erfolg scheiterte am Wassermangel und der Hitze, die Rodungen trugen nur zu einer allgemeinen Verschlechterungen der Lebensbedingungen bei. Diese Tatsachen beendeten die Rodungen zum Glück rechtzeitig.
Die Frucht des Arganbaumes: Die Argannuss
Geformt wie eine Olive, nur etwas größer und von gelblicher Farbe, enthält die Argannuss zwei bis drei ölhaltige Kerne. Die marokkanischen Ziegen pflegen auf die Bäume zu klettern und hier Laub und Früchte zu knabbern, die Kerne oder Nüsse aber scheiden sie aus. Früher wurden diese Kerne praktisch aus den Hinterlassenschaften der Ziegen gesammelt und verarbeitet, heute ist erfolgt die Verwertung etwas direkter. Gleichwohl dürfen die Berberfrauen die Früchte nicht pflücken, sie dürfen sie nur einsammeln, um die Bäume nicht zu beschädigen.
Für den menschlichen Verzehr ist die Frucht ungeeignet, denn sie schmeckt äußerst bitter. Ihr hoher Eiweiß- und Glukosegehalt macht sie aber zu einer Art Kraftfutter für Tiere.
Mit dem Beginn der Herbstregen im Oktober treiben neue Blätter aus und die kleinen Früchte aus dem Vorjahr reifen allmählich. Gleichzeitig gedeihen Blüten auf den einjährigen Trieben. Neue Triebe bilden sich etwa im Januar und im Februar ist der Baum mit Blüten förmlich übersät. Während der heißen trockenen Sommerperiode stellen die neu aus den Blüten entwickelten Arganfrüchte das Wachstum ein, die Vorjahresfrüchte aber reifen aus.
Der Arganbaum, Ziegen – und andere Tiere
Der Laie kann auch im Vorbeifahren Argan- von Olivenbäumen sofort unterscheiden. Der Grund sind die Ziegen, die bevorzugt in den Kronen der Arganbäume herumklettern, Blattwerk und die Umhüllung der Früchte fressen. Dromedare mit ihren langen Beinen und Hälsen erreichen ebenfalls gut die Blätter und Früchte. Auch eine endemische Tierart, das Atlashörnchen, scheint eine geheimnisvolle und wichtige Rolle im Leben der Arganbäume zu spielen.
Überall im Mittelmeerraum existiert ein jahrhundertealtes Problem: Der natürliche Baumbewuchs wurde geradezu systematisch abgeholzt. Zurück blieb eine buschige, an karge Böden, große Hitze und Wassermangel angepasste Sekundärvegetation, die je nach Region beispielsweise Macchia genannt wird. Verbliebene Bäume wurden von den Anwohnern beschnitten, um Viehfutter zu gewinnen, Nachwuchs scheint es nicht zu geben. Ziegen und Schafe rupfen Gras bis auf die Wurzel aus, die Bodenerosion schreitet fort und die abnehmende Vegetation hat wieder eine negative Rückwirkung auf das Klima.
Der Arganbaum wappnet sich gegen solche Attacken mit zahlreichen Dornen – die die Ziegen und Dromedare allerdings nicht abhalten. Sie fressen sowohl die Blätter als auch die nährstoffreichen Früchte, die für den menschlichen Verzehr zu hart und zu bitter sind.
Einige Biologen sehen dies kritisch. Tatsache ist, dass die Tiere – Ziege, Dromedar und Atlashörnchen – die Argannuss verzehren, die Samen ausscheiden und damit bis zu einem gewissen Grad zur natürlichen Weiterverbreitung der Arganbäume beitragen. Einheimische sind sogar der Meinung, dass die Argansamen zuerst den Verdauungstrakt der Ziegen durchlaufen müssen, bevor sie überhaupt auskeimen könnten. Allerdings stellen die domestizierten Ziegen eine relativ neue Erscheinung in der langen Geschichte der Arganbäume dar – die Bäume kamen über Jahrmillionen sehr gut ohne die kletterfreudigen Wiederkäuer zurecht. Heute ist es eher so, dass die Arganbäume zwar nicht wie viele andere Pflanzen in extrem heißen trockenen Zonen durch die Beweidung zerstört werden, die Ziegen und Dromedare aber profitieren weitaus mehr von den Bäumen als umgekehrt.
Dagegen bildet die Vergesellschaftung mit den Atlashörnchen ein Beispiel für eine echte, uralte und wirkungsvolle Symbiose: Der eine spendet Nahrung, der andere garantiert das Weiterleben der Art.
Wie die europäischen Eichhörnchen buddeln die Atlashörnchen Futterverstecke, in denen sie die Argannüsse deponieren – und einen Teil davon zu vergessen pflegen. Entsprechend finden sich oft Arganbäume in den unzugänglichsten Gebirgsschluchten.
Im Gegensatz zum Eichhörnchen leben die Atlashörnchen in Gruppen und Kolonien in Felsspalten. So stellen die putzigen, grau-braun gestreiften Kerlchen ganze Gärtner-Bataillone auf, die tatsächlich zum Erhalt der Arganwälder beitragen.
Ob auch die Ziegen und Dromedare diese Aufgabe erfüllen und durch das Ausscheiden der Kerne den Argan-Nachwuchs sicherstellen, ist möglich, konnte bislang aber noch nicht schlüssig dokumentiert werden. Tatsache ist, dass die Entwaldung der Trockenzonen der Erde massiv fortschreitet. Auch aus diesem Grunde ist die Existenz des Arganbaumes in einer der heißesten trockensten Zonen der Erde so wichtig.
Die Übernutzung des Arganbaumes
Übernutzung ist tatsächlich ein Problem für die Bestände. Dem etwa 20 Millionen Arganbäumen stehen 800 Millionen Olivenbäume gegenüber. Starke klimatische Veränderungen, aber auch die jahrtausende lange Nutzung des Landes durch den Menschen durch Rodung und Beweidung rückten dem ursprünglichen Waldbestand zu Leibe. Im Mittelmeer- und Atlantik-Raum gab es früher üppige Wälder, von denen heute nur noch Reste vorhanden sind. Entsprechend sinkt der Grundwasserspiegel, das Klima verändert sich laufend und die Bodenerosion breitet sich aus, sehr zum Schaden der Lebensgrundlage für Mensch und Tier.
Seit den 1990er Jahren laufen diverse Projekte, die eine schonende Nutzung der Arganwälder erforschen und zugleich ihr Fortbestehen sicherstellen sollen. Dabei wird auch die Herstellung und Vermarktung des Arganöls durch die Amazigh-Frauen aufgewertet und unterstützt. Ziel ist es, diese einmalige und für die Menschen der Region so wichtige Ressource zu nutzen, ohne sie dabei langfristig zu zerstören.
Spielen die Ziegen eine Rolle bei der Herstellung von Arganöl?
Eine direkte Rolle bei der Herstellung von Arganöl lässt sich den Ziegen nicht zuschreiben. Sie stellen eher ein Wachstums-Hemmnis für die Bäume dar, ebenso wie Menschen, die kurzsichtig Äste zum Feuermachen abreißen und damit die aktive Biomasse verringern.
Offenbar sammelten die Bewohner der Arganbaum-Region früher die Samen der Bäume aus dem Ziegenkot und pressten sie zur Ölgewinnung. Heute werden die Argannüsse direkt geerntet oder, korrekter, gesammelt: Nach wie vor wird die Frucht als Viehfutter verwendet und zu diesem Zweck von Hand oder mit Maschinen vom Kern gelöst. Die Früchte dürfen nicht direkt vom Baum geerntet werden, lediglich gesammelt. Weil die Früchte nicht alle zur gleichen Zeit, sondern sich über die gesamte Vegetationsperiode hinweg nach der Blüte entwickeln oder zur Reife gelangen, ist das Aufsammeln die effektivste und schonendste Methode.
Ist es möglich, in Deutschland einen Arganbaum zu kaufen?
Der bizarre knorrige Arganbaum ist ein dekoratives Gewächs, auch wenn er in unseren Breiten weder zur Reife gelangt noch Früchte trägt. Gegen Frost und Zugluft ist er empfindlich, ansonsten kann er in geschützter Lage gut wachsen. Ein Pflanzkübel erleichert es, das Bäumchen vor Einsetzen der Kälteperiode in einen geschützten Raum zu befördern.
Im Fachhandel können Interessenten also tatsächlich einen Arganbaum kaufen – entweder als Samen zum Selbstkeimen, oder als etwa dreijährigen Setzling.
Wer die Samen kauft, braucht Geduld: 12 bis 24 Stunden lang müssen die Kerne in warmem Wasser vorquellen. Danach sollten sie in geringer Tiefe (maximal ein Zentimeter) in Kakteenerde gesetzt werden. Kakteenerde ist luft- und wasserdurchlässig, sandig und hat einen hohen Mineralgehalt. Konstante Wärme und ausreichend Licht entscheiden über den Erfolg des Gedeihens. Anstatt die Pflanze zu gießen, genügt es, die Topferde zu besprühen. Zu viel Feuchtigkeit lässt die Wurzeln rasch faulen. Trockene Heizungsluft schadet nicht. Bislang liegen allerdings kaum Erfahrungswerte vor.